Zusammenfassung
Im Jahre 1612 beschlossen Bürgermeister und Stadtrat von Groningen, ein eigenes
Gremium einzuberufen, das sie bei der Kontrolle der Verwaltung des Vermögens
Minderjähriger, die unter dativer Vormundschaft standen, unterstützen sollte. Ein Jahr
später folgte ein Erlass des sogenannten Breiten Rates, der aus Bürgermeistern, Rat, zur
Zeit nicht amtierenden Ratsherren und den Mitgliedern der Geschworenen Gemeinde der Stadt
bestand, in dem die Gründung einer Waisenkammer angeordnet wurde. In diesem Erlass, der
am 19. Mai 1613 veröffentlicht wurde, wurden unter anderem Zusammensetzung und Befugnisse
des neuen Hilfsorgans der Stadtverwaltung geregelt. Er enthält weiter
Vorschriften über Verpflichtungen, die anderen, wie längstlebenden Elternteilen und
anderen Vertretern minderjähriger Kinder auferlegt wurden, um die Arbeit der Waisenkammer
zu ermöglichen.

V.l.n.r. het Stadswijnhuis, de Hoofdmannenkamer en het oude Stadhuis uit 1443
(noord-zijde, tegenover V&D). Achter de hoofdingang aan de west-zijde (het bordes van
het huidige Stadhuis bevindt zich aan de oost-zijde) bevond zich de grote Voorzaal van het
Stadhuis met aan de linker-zijde de toegang tot de Raadkamer. Vanuit de Voorzaal had men
tevens toegang tot de Weeskamer en de Nieuwe kamer. Onder de Raadkamer bevond zich de
Secretarie en onder de Voorzaal waren de Stads Pontkamer en het woonvertrek van de
Deurwaarder (litho C.C.A. Last)
Der Zweck dieser Studie war, zu untersuchen, wie die Groninger Waisenkammer, die von
1613 bis 1811 in Funktion war, die ihr zugedachten Aufgaben erfüllte und ob ihre
Tätigkeit wirklich dazu beigetragen hat, die vermögensrechtlichen Interessen
minderjähriger Voll- und Halbwaisen, die unter dativer Vormundschaft standen, besser
wahrzunehmen, so wie es die städtische Verwaltung bei ihrer Gründung vorgesehen hatte.

De Heeren van de Weeskamer zetelden in een kamer op de tweede verdieping van het nieuwe
Stadhuis aan de linker voorzijde op de hoek, met twee ramen aan de voorzijde en twee ramen
opzij. Lang hebben zij daar niet gezeten, want in 1811, enkele jaren nadat zij deze ruimte
hadden betrokken, werd de Weeskamer opgeheven (A.J. van Prooijen, 1861)
Der erste der drei Teile, aus denen das Buch besteht, behandelt die Groninger
Waisenkammer als städtisches Verwaltungsorgan. Das erste Kapitel enthält eine übersicht
über die Geschichte dieses Gremiums von seiner Gründung im Jahre 1618 bis zu seiner
Abschaffung 1811. Das Jahr 1795 bringt eine Cäsur mit sich, da im Zuge der Batavischen
Revolution die Verwaltung der Stadt völlig neu geordnet wurde. Im ersten Paragrafen
dieses Kapitels werden Gründung, Zusammensetzung, Organisation, Aufgaben und Befugnisse,
Finanzierung, Unterbringung sowie der Platz der Waisenkammer innerhalb der Struktur des
städtischen Verwaltungsapparats beschrieben. Der Abschnitt über die Finanzierung
enthält nicht nur Einzelheiten über die Zuschüsse, Vergütungen und Diäten, die die
Mitglieder der Kammer und ihre Assistenten erhielten, sondern auch über die Abgaben, die
sie für ihre ämter zu entrichten hatten. Der zweite Paragraf ist dem Schicksal der
Waisenkammer in den Jahren von 1795 bis 1811 gewidmet. 1811 wurde die Kammer abgeschafft,
weil sie nicht mehr benötigt wurde. Der Grund war einerseits, dass die Einführung des
französischen Code civil, der am 1. März 1811 in Kraft getreten war, ein anderes
Kontrollsystem über die Vermögensverwaltung von Waisen und Halbwaisen enthielt,
andererseits jedoch auch die in diesem Gesetzbuch vorgeschriebene Einführung des
Standesamtes, die die Mitglieder der Groninger Waisenkammer ihrer Nebentätigkeit als
Kommissare für Eheangelegenheiten beraubte. Diese Nebenfunktion, die sie seit 1630
innegehabt hatten, war die Aufsicht über die Eheproklamationsbücher der Stadt. In der
Stadt Groningen konnte eine Eheschliessung nur stattfinden, wenn diese Kommissare das
kirchliche Aufgebot vorher genehmigt hatten.

Het oudste weesshuis in de stad Groningen werd in 1599 door Burgemeesteren en Raad
gesticht in het Olde convent of Geestelijke Maagdenklooster. Hier een afbeelding van de
nog bestaande poort van het Roode- of Burgerweeshuis in de Rodeweeshuisstraat n.z. De naam
van het Roode weeshuis ontleende men aan de kleur van de kleding van de wezen (J. Ensing,
1839)
Das zweite Kapitel behandelt die Personen, die in den fast zwei Jahrhunderten des
Bestehens der Waisenkammer als Vorstandsmitglied, Sekretär oder Bediensteter fungiert
haben. Insgesamt waren es 112 Waisenmeister, Waisenherren oder Administratoren, 27
Sekretäre oder Schreiber und 25 Diener, Boten oder Vollzugsbeamte. Der Waisenkammererlass
von 1613 enthält im zweiten Artikel sieben Anforderungen, die an zu ernennende
Waisenmeister gestellt wurden. Bei der Neufassung des Erlasses im Jahre 1724 wurden diese
Bedingungen auf drei reduziert. Da die Bedeutung dieser Vorschriften nicht in allen
Fällen deutlich war, wurde mit Hilfe einer prosopographischen Untersuchung versucht,
persönliche Umstände der Ernannten zu rekonstruieren. Zu diesem Zweck wurde ermittelt,
wo und wann sie geboren waren, ob sie einen Beruf ausgeübt oder ein akademisches Studium
absolviert hatten und wie ihre amtliche Karriere verlaufen war. Obwohl keiner der beiden
Erlasse Bedingungen für die Anstellung von Sekretären oder Bediensteten der Waisenkammer
enthält, wurden auch die Laufbahnen dieser Personen untersucht. In diesem Kapitel liegt
ebenfalls ein Einschnitt beim Jahre 1795, da die Batavische Revolution auch nachweisbare
Folgen für die personelle Besetzung der Waisenkammer hatte. Bei den Waisenmeistern waren
die Unterschiede signifikanter als bei den Sekretären und Bediensteten.

Hoofdgebouw van het Groene weeshuis aan de Oude Ebbingestraat o.z. Rechts daarvan het
wagenhuis, woonhuis en achter de muur de tuin van Alberda van Ekenstein. De Staten van
Stad en Lande bestemden in 1621 een deel van het Jacobijner- of Dominikaner klooster tot
een weeshuis. Dit weeshuis, dat naar de kleur van de kleding van de wezen, Groene weeshuis
werd genoemd, werd in 1673 verenigd met het Blauwe diakenie-kinderhuis van de herv. gem.
In 1826 werd dit gecombineerde weeshuis afgescheiden van de Diaconie en heette sindsdien
weer Groene weeshuis (scan van een foto uit Dr mr A.T. Schuitema Meijer: Album van
Oud-Groningen 1750-1880, Groningen 1976, van een aquarel van A.J. van Prooijen, 1858)
Das dritte Kapitel befasst sich mit dem Archiv der Waisenkammer, seinem Aufbau, dem
Inhalt der Vorgänge und der zeitlichen Einordnung. Ohne eine übersichtliche Kartei wäre
die Kontrollarbeit, mit der die Administratoren betraut waren, nur schwer durchführbar
gewesen. Trotzdem ist das Archiv teilweise lückenhaft. Im letzten Paragrafen dieses
Kapitels wird deshalb versucht, diese Lücken mit Material aus anderen Archiven zu
schliessen.

Poort van het Groene Weeshuis in de Oude Ebbingestraat o.z. (A.J. van Prooijen, 1858,
gedeelte)
Im zweiten Teil des Buches steht die Gesetzgebung auf dem Gebiet des
Vormundschaftrechts in der Stadt Groningen im Mittelpunkt. Das vierte Kapitel beschreibt
zunächst die Entwicklung des Groninger Vormundschaftsrechts von 1400 bis 1809, dem Jahr
in dem das Napoleontische Gesetzbuch für das Königreich Holland in Kraft trat (WNH). Der
erste Paragraf behandelt die verschiedenen Formen der Vormundschaft über Minderjährige
sowie die Aufgaben und Pflichten der gesetzlichen, testamentarischen oder dativen
voorstanders, wie die allgemeine Bezeichnung für Vormünder in Groningen
damals lautete. Bei dieser dativen Vormundschaft schrieb das Groninger Stadtbuch von 1425
ursprünglich die Bestellung von fünf Personen vor, vorzugsweise aus dem Kreis der
nächsten Verwandten, von denen eine als Vormund angewiesen und mit der Verwaltung und
Sicherung des Mündelvermögens beauftragt wurde. Die anderen, die als Vögte
bezeichnet wurden (Gegenvormünder) kontrollierten den Vormund und waren mitverantwortlich
für dessen Handeln. 1584 beschlossen Bürgermeister und Stadtrat, dass drei Vertreter,
ein Vormund und zwei Vögte, genügten. Auch bei der testamentarischen Vormundschaft waren
im 17. und 18. Jahrhundert ein Vormund und zwei Vögte, also insgesamt drei Vertreter
üblich. Neben diesen offiziellen voorstanders kannte man in Groningen
opzieners, nämlich unvereidigte Vertreter. Diese Aufseher wurden
meistens eingesetzt, wenn es sich um nur geringfügige Mündelvermögen handelte. Die
Aufgaben und Pflichten waren dieselben wie die der Vormünder.

Idem, poort van het Groene Weeshuis in de Oude Ebbingestraat o.z. (A.J. van Prooijen,
1858)
Welche diese Aufgaben und Verpflichtungen waren, ergab sich hauptsächlich aus dem
Anlass, aus dem sie das Amt innehatten oder übernahmen. Der überlebende Elternteil
erhielt beim Tode des Ehegatten die gesetzliche Vormundschaft und verlor sie nur durch
Wiederverheiratung. Während dieser Zeit verwaltete der gesetzliche Vormund das Vermögen
der minderjährigen Kinder ohne die Einmischung anderer. Im Grunde genommen lebte der
hinterbliebene Elternteil mit den minderjährigen Kindern in einer ungeteilten
Vermögensmasse, bis eine Auseinandersetzung fällig war. Nach dem Tode oder der neuen
Eheschliessung ging die Vormundschaft auf andere, entweder testamentarische oder dative
Vormünder über; seit dem letzten Viertel des 17. Jahrhunderts auf die Grosseltern als
gesetzliche Vormünder. Hatten diese die Vormundschaft beim Tode des längstlebenden
Elternteils übernommen, so waren sie für die gesamte Verwaltung des Vermögens ihrer
Mündel und für deren Erziehung verantwortlich. War ihnen die Vormundschaft durch eine
neue Heirat des überlebenden Elternteils zugefallen oder übertragen worden, so lag ihre
Aufgabe hauptsächlich in der Wahrung der vermögensrechtlichen Interessen ihrer Mündel,
da diese durch die zweite Ehe des Vaters oder der Mutter beeinträchtigt werden konnten.
Eine Möglichkeit solchen Problemen vorzubeugen war ein Auseinandersetzungs- oder
Abfindungsvertrag mit dem betreffenden Elternteil. 1689 wurden diese Verträge
obligatorisch. Seit diesem Jahr konnte in der Stadt Groningen eine zweite Ehe nur
geschlossen werden, wenn das Vermögen der Vorkinder mittels eines solchen Vertrages
abgesichert war. Am Ende der Vormundschaft mussten die Vertreter ihren Mündeln den Besitz
des Vermögens übertragen. Hatten sie es selbst verwaltet, so waren sie zu diesem
Zeitpunkt verpflichtet, Rechenschaft abzulegen.

Groene Weeshuis gezien vanaf de Hofstraat z.z. (J. Ensing, midden 19e eeuw)
Die Einführung des WNH im Jahre 1809 brachte zwangsweise verschiedene änderungen des
Groninger Vormundschaftsrechts mit sich. Der zweite Paragraf des vierten Kapitels
behandelt die Reaktionen der Waisenkammer auf diese Veränderungen.

Idem, Groene Weeshuis aan de Hofstraat z.z. (A.J. van Prooijen, 1858)
Das fünfte und sechste Kapitel sind der städtischen Gesetzgebung in der Form von
Erlassen und Resolutionen gewidmet, die zwischen 1613 und 1809 die Arbeit der Waisenkammer
bestimmt haben. Im jeweils ersten Paragrafen dieser Kapitel werden der Waisenkammererlass
von 1613 und die Neufassung dieses Erlasses von 1724 erörtert. Zusätzlich werden
Verfügungen und richterliche Entscheidungen analysiert, die zwar für den Einzelfall
bestimmt waren, die Arbeit der Waisenkammer jedoch nachhaltig beeinflusst haben.
Der dritte Teil des Buches behandelt die Anwendung der Regeln, denen die Groninger
Waisenkammer unterworfen war, in der fast zweihundertjährigen Praxis ihres Bestehens und
die Art und Weise, wie die Waisenherren ihre Aufgaben erfüllten. Dieser Teil ist
thematisch angeordnet. Das siebte Kapitel befasst sich hauptsächlich mit der Bestellung
der dativen Vormünder und der Aufsicht über die zu erstellenden Vermögensverzeichnisse
bei minderjährigen Vollwaisen. Die Waisenherren bestellten übrigens nur dann einen
Vormund, wann es unbedingt notwendig war. Wurden minderjährige Waisen zur Erziehung und
Pflege in einem der städtischen Waisenhäuser untergebracht oder war eine
Volljährigkeitserklärung (venia aetatis) möglich, so wurde von der Bestellung von
Vormündern abgesehen. Eine solche Bestellung unterblieb auch, wenn die verstorbenen
Eltern in einer letztwilligen Verfügung Vormünder benannt hatten oder wenn die Kinder
schon zu einem früheren Zeitpunkt, z.B. bei der zweiten Heirat des überlebenden
Elternteils, einen Vormund bekommen hatten. Auch diese bereits bestellten dativen
Vormünder waren verpflichtet, nach dem Tode des letzten Elternteils ihrer Mündel unter
der Aufsicht der Waisenkammer ein Vermögensverzeichnis zu erstellen. Früher geschlossene
Erbverträge über den väterlichen bezw. mütterlichen Nachlass beeinflussten natürlich
den Umfang des Mündelvermögens, wie aus den bei der Waisenkammer eingereichten
Vermögensverzeichnissen ersichtlich ist. Diese Verzeichnisse dienten den Waisenmeistern
als Grundlage für die Aufsicht über die Verwaltung der Mündelvermögen durch dative
Vormünder, Aufseher oder deren Stellvertreter.

Groene Weeshuis, binnenplaats (voormalige kloostergangen) tussen de Oude Ebbingestaat en
de Hofstraat (A.J. van Prooijen, 1858)
Das achte Kapitel beschreibt die überwachung der vermögensrechtlichen Interessen der
Mündel im Falle einer Wiederverheiratung des überlebenden Elternteils. In diesem
Zusammenhang werden namentlich die Folgen des Inkrafttretens der Neuen
Stadtkonstitutionen von 1689 aufgezeigt. Eine dieser Folgen war, dass die Anzahl der
Auseinandersetzungs- und Abfindungsverträge, die unter Mitwirkung der Waisenkammer
geschlossen wurden, beträchtlich zunahm. Auf die Dauer wurde eine Grenze zwischen
kleinen und grossen Auseinandersetzungen und Abfindungen gezogen,
wobei der Umstand, dass die Vermögensmasse entweder Immobilien umfasste oder die
Abfindungssumme 300 Karolusgulden überstieg, als Kriterium galt. Hatte der zuerst
verstorbene Elternteil kein positives Vermögen hinterlassen, begnügte die Waisenkammer
sich auch mit einem Armutszeugnis des Witwers oder der Witwe. Der
hinterbliebene Elternteil brauchte dann keinen Auseinandersetzungs- oder Abfindungsvertrag
zu schliessen. Die Waisenkammer akzeptierte auch Einkindschaftsverträge (unio prolis), in
denen der überlebende Elternteil und der neue Ehegatte vereinbarten, dass die Kinder, die
aus der Zweitehe hervorgehen würden und die Vorkinder in Hinsicht auf ihre Erbansprüche
völlig gleichgestellt wurden. Das Vermögen der verstorbenen Elternteile der Vorkinder
floss dan mit dem Vermögen der in zweiter Ehe verbundenen Eltern zusammen.
Nach der Einführung des WNH im Jahre 1809 wurden die unterschiedlichen
Vertragsmöglichkeiten für den Fall einer zweiten Ehe hinfällig. An ihre Stelle trat der
Vermögensverzicht (overeenkomst van bewijs en vertichting). Die Groninger Waisenkammer
hatte auf den Abschluss dieser Verträge keinen Einfluss mehr, ihre Aufgabe war
ausschliesslich das Protokollieren der Vertragsurkunden.

Kloostergang in het Groene Weeshuis (A.j. van Prooijen, 1858)
Das neunte Kapitel behandelt die Kontrolltätigkeit der Waisenherren in Bezug auf die
Rechnungslegung der dativen Vormünder. In diesem Rahmen werden die Technik
der Kontrolle und die Grenzen der Rechnungslegung der Waisenkammer gegenüber erörtert,
unter anderem auch die Rechenschaftspflicht für Vermögen, die den Mündeln erst nach
übernahme der Vormundschaft zugefallen waren. Im dritten Paragrafen dieses Kapitels
werden die Instrumente angegeben, die den Waisenmeistern zur Verfügung standen, wenn die
Vertreter der Minderjährigen ihre Mitwirkung nachweislich verweigerten oder nur ungenaue
Angaben über ihre Verwaltungstätigkeit machten.

Voogdenkamer in het Groene Weeshuis (A.J. van Prooijen, 1858)
Das zehnte Kapitel beschreibt die Rolle der Waisenkammer bei der übertragung der von
dativen Vormündern verwalteten Mündelvermögen an volljährig gewordene Mündel. Beide
Parteien erschienen dann in der Waisenkammer, d.h. in den Räumlichkeiten der Kammer im
Rathaus der Stadt, wo die Vormünder, soweit das nicht bereits früher geschehen war, zum
letzten mal Rechenschaft ablegten und danach den Mündeln alle Unterlagen über ihr
Vermögen sowie alle Gegenstände aus dem elterlichen Nachlass und aus anderen
Nachlässen, die sie aufbewahrt hatten, aushändigten. Danach quittierten die Mündel für
ordnungsgemässe übergabe und befreiten die Vormünder somit von jeglicher
Haftung. In den Fällen, in denen ein Abfindungsvertrag mit dem noch lebenden Elternteil
geschlossen worden war, um den Nachlass des Verstorbenen sicherzustellen, wurde anders
verfahren. Seit der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts war es üblich dass der
überlebende Elternteil die Abfindung bis zur Volljährigkeit der Kinder behielt. Er
erschien dann mit den Kindern in der Waisenkammer und übergab ihnen dort die
Abfindungssumme. Die Kinder quittierten dafür und dankten den Vormündern für ihre
Aufsichtstätigkeit. Dieses Kapitel beschreibt auch die übertragung von Mündelvermögen
an neu bestellte Vormünder. Abhängig von der Situation, in der diese die Vormundschaft
übernommen hatten, erfolgte die übergabe durch den früheren Vormund oder durch dessen
Witwe oder Verwandten.
In Einzelfällen war es ehemaligen Mündeln wegen eines Auslandsaufenthalts nicht
möglich, ihr Vermögen anzutreten, so dass die mit der Verwaltung betrauten Vertreter
gezwungen waren, ihre Aufgaben auch nach dem Mündigkeitsdatum für unbestimmte Zeit
fortzuführen. Auf die Dauer fand man eine Lösung für dieses Problem, indem man solche
Mündelvermögen den Waisenherren übertrug, die ihrerseits dafür quittierten. Die
Waisenherren übernahmen dann die Vermögensverwaltung und mussten diese fortsetzen bis
die übergabe an das volljährige Mündel oder dessen Erben möglich war. Im Grunde
genommen übernahm die Waisenkammer damit in einigen Fällen eine Aufgabe, die die Stad
Groningen ihr nie zugedacht hatte. Andererseits jedoch ergab sich dadurch die
Möglichkeit, sonst ausweglose Probleme auf akzeptable Weise zu lösen.

Trapportaal in het Groene Weeshuis (A.J. van Prooijen, 1858)
Das Quellenstudium, vor allem das des Archivs der Waisenkammer, rechtfertigt den
Schluss, dass die Stadt Groningen den Zweck, zu dem sie die Waisenkammer 1613 gründete,
erreicht hat. Die Aufsicht durch diese Kammer hat nachweislich einen heilsamen Einfluss
auf den Schutz der vermögensrechtlichen Interessen minderjähriger Voll- und Halbwaisen
in Groningen gehabt. Dieser Erfolg ist vor allem der Bereitschaft und Fähigkeit der
Waisenkammer zu verdanken, die Vorschriften, denen ihre Arbeit unterworfen war,
grosszügig und flexibel auszulegen und anzuwenden und dadurch auch in nicht oder nur
unvollständig geregelten Bereichen einen eigenen Weg zu finden.